"Ölmühle brennt auf vier Etagen", so lautete die Schlagzeile des Mannheimer Morgen am 27. April 2010. Am Tag zuvor, gegen 12.30 Uhr, brach ein Feuer in der Presserei der Bunge-Ölmühle im Bonadieshafen aus. Die Flammen fraßen sich schnell durch das Backsteingebäude, richteten einen Sachschaden im hohen zweistelligen Millionenbereich an und hinterließen ein stark einsturzgefährdetes Gebäude. Für einige Wochen stand die Produktion in Mannheim komplett still.
"Das war ein einschneidendes Ereignis für uns", sagt Finanzdirektor Christoph Haase und blickt auf das umzäunte, verlassene Gebäude. Schwarze Flecken ziehen sich an der Backsteinwand entlang, einige Scheiben sind zerbrochen. Man hofft, erklärt Haase, dass man das Gebäude noch in diesem Jahr abreißen kann. Dann könnte Bunge Deutschland endlich einen Schlussstrich ziehen - und sich ganz auf die Zukunft konzentrieren.
Dass die Mühle in Mannheim eine Zukunft hat, das stand für Bunge bereits 14 Tage nach dem Brand fest. Die Konzernleitung beschloss, eine neue Anlage zu bauen. "Für uns, die Belegschaft hier vor Ort, war das natürlich eine enorme Erleichterung", sagt Haase. Wenige hundert Meter vom alten Gebäude entfernt entstand in nur zwei Jahren die 37 Meter hohe neue Presserei. Bunge machte das Beste aus der Situation und nutzte die Chance, um die "modernste und effizienteste Presserei in Europa" zu bauen. Davon geht Haase zumindest aus. Ganz sicher kann er sich allerdings nicht sein, denn die Konkurrenz ist sehr verschwiegen.
Durch den Neubau hat die Ölmühle ihre Produktion ganz auf Rapssaat zugeschnitten - 1,1 Millionen Tonnen können hier im Jahr verarbeitet werden. Zwei bis drei Schiffe, voll beladen mit den kleinen schwarzen Körnern, legen jeden Tag gegenüber der Ölfabrik bei Rhenus Logistics an. An zwei Anlegestellen direkt am Werk holen Schiffe wiederum Rapsöl und Rapsschrot ab, auch per Zug und Lastwagen werden die fertigen Produkte abtransportiert. Ein Teil geht nach nebenan, wo Mannheim Biofuel - seit 1. Februar eine hundertprozentige Tochter von Bunge - neutralisiertes Rapsöl zu Biodiesel verarbeitet.
Dazwischen liegen, je nach Produkt, gerade einmal drei bis vier Stunden. Über eine Saatbrücke kommt der Raps von Rhenus in das 65 Meter hohe Silo der Bunge-Mühle, das ein Fassungsvermögen von 18 000 Tonnen hat. Von hier wird die Saat in großer Höhe zur Presserei transportiert. Der Raps durchquert diese dann von oben nach unten. Im Gegensatz zur alten Presserei sorgen so nur noch wenige Förderelemente für den Transport - den Rest erledigt die Schwerkraft.
Auf 37 Metern Höhe ist der Blick über den Mannheimer Hafen beeindruckend, der Wind eisig und der Geruch angenehm. Es riecht nach Öl, das in der Pfanne auf die Zwiebeln wartet. In der Presserei ist es angenehm warm - im Laufe des Prozesses wird die Rapssaat bis auf 105 Grad erhitzt. Zuerst jedoch wird der Raps gesäubert. In Trommel- und Rüttelsieben, die nicht nur nach Lärm klingen, sondern ihn auch machen, werden Steine und andere Fremdkörper herausgesiebt. Die Presserei hat zwei Produktionsstraßen, die spiegelverkehrt aufgebaut und durch schwere Brandschutztüren getrennt sind. "Bricht in einer Straße ein Feuer aus, kann der Betrieb in der zweiten weiterlaufen", erklärt Haase. Außerdem ist das ganze Gebäude mit einer Sprinkleranlage ausgestattet. Auch in Sachen Brandschutz sei man damit auf dem neuesten Stand.
Im zweiten Stockwerk brechen Walzenstühle die Saat zu Rapsflocken auf, durch die größere Oberfläche kann später mehr Öl aus dem Korn gepresst werden. Dann gelangt sie in das Herzstück der Anlage, die Pressen. Sechs stehen hier, jede kann am Tag 750 Tonnen Saat pressen - zu Öl auf der einen, zu Presskuchen auf der anderen Seite. Das Öl wird entwässert, gefiltert und in der Raffinerie zu einer Vorstufe für Biodiesel und zu Speiseöl verarbeitet.
170 Mitarbeiter sind am Mannheimer Standort tätig. Von hier aus wird auch die Bunge-Ölmühle in Österreich verwaltet. Der Produktionsprozess ist heute so weit automatisiert, dass acht bis zehn Personen pro Schicht ausreichen, um das Werk am Laufen zu halten. Abgefüllt wird das Speiseöl hier nicht mehr, die in Mannheim hergestellten Produkte sind demnach nicht direkt im Handel erhältlich. Aber Rapsöl aus Mannheim steckt unter anderem in den Margarinen von Deli Reform. Auch ganz andere Produkte können Mannheimer Rapsöl enthalten - Lippenstifte etwa, Bodenbeläge. Und es dient auch unter anderem als Träger von Medikamenten.
© Mannheimer Morgen, Mittwoch, 06.03.2013